Josef Wolf "Skulptur Melaten" 2022

Melaten-Friedhof Köln
"Weiberner Tuffstein", 4 -teilig H. 195 B. 190 T. 140 cm

Josef Wolf "Große Steinbruchskulptur" 2020

Weibern -Windkaul
Skulptur "Weiberner Tuffstein", 10 -teilig H. 270 x B. 1650 x T. 410 cm

Der Stein
körperhaft tritt er mir entgegen,
in ihm die Natur,
der gebrochene Stein,
die Form - das Volumen - die Fläche - die Linie
frei im Raum,
vor der Wand- Fläche, Linie, Relief,
im freien Raum - der Kreis,
die Bewegung , der Körper.
Die Skulptur ist frei - sie existiert für sich selbst,
ich gehe um sie herum ,
werde mir meiner selbst bewußt,
jetzt, hier und an diesem Ort.

Große Steinbruchskulptur

Josef Wolf Aktuelle Publikation 2020

Kosmische Postkarten
Radierungen 2016-2020

Dies Ineinander- und Umeinanderkreisen und Wirbeln, dieses Sichballen von Nebeln zu Körpern, dies Brennen, Flammen, Erkalten, Zerplatzen, Zerstäuben, Stürzen und Jagen, erzeugt aus dem Nichts und das Nichts erweckend, das vielleicht besser, lieber vielleicht im Schlaf geblieben wäre und auf seinen Schlaf wieder warte, – es sei das Sein, auch Natur genannt, und es sei eins überall und in allem.
Thomas Mann, Bekenntnisse des Hochsaplers Felix Krull,
Frankfurt am Main 1954

Auflage: 300 Exemplare, davon 15 Exemplare, signiert und nummeriert, als Vorzugsausgabe mit einer beigefügten Radierung.
© 2020 Josef Wolf

Publikation "Kosmische Postkarten"
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Sehen

Das klingt nach harter Arbeit, – nach Handwerk. Wenn ich Josef Wolf begrüße und ihn umarme, spüre ich den Handwerker in ihm. Den, der sein Material bis heute aus den Steinbrüchen bei Weibern in der Eifel heran schafft, es mit dem mobilen Portalkran auflädt, bewegt, ablädt und wieder bewegt um es zu lagern, und schließlich – vielleicht – irgendwann auch zu bearbeiten und dabei immer und immer wieder zu bewegen; potentiell in seinem Kopf, auf der Grundlage von Erfahrung, und tatsächlich im Raum. Die Bewegung ist wohl notwendig, denn vor dem Handwerk und als künstlerisches Ergebnis seines Tuns steht nicht die Schwere, sondern die Leichtigkeit; oder hat Sehen ein Gewicht?
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Hauen

Der Stein ist für Josef Wolf kein beliebiges Material über das er frei verfügen, das er in jede Form bringen könnte. Der Formwille ist dem Material selbst untergeordnet. Er möchte herausfinden, welches Volumen sich darin versteckt, welche Bearbeitung der Oberfläche ihm entspricht. Worauf gründet sich dieser Respekt vor dem Stein? Auf sein Alter, auf seine Dauerhaftigkeit, auf seine reglose Stille? Er will lange und immer wieder überprüfend betrachtet werden. Das Sehen begleitet das Hauen. Der Steinbildhauer möchte sie präzisieren, diese eigenen Möglichkeiten des Materials, er möchte die notwendige Form sichtbar machen; im übrigen: er knetet nicht, er baut nicht auf, – er haut: er kann vom Material nur etwas wegnehmen. Die Form lässt sich also nicht denken, auch nicht zeichnen, sie lässt sich nur über die handwerkliche Arbeit erreichen. Vielleicht ergibt sich eine Typologie der Form, ein Spektrum von Verwandtschaften, die auf den Gesetzen des Zufalls beruhen und sich in allen Körpern wiederholen.
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Tasten

Kann man von Körpern sprechen, ohne auf ihre Oberfläche einzugehen, zumal die Oberfläche dieser Skulpturen so unverkennbar charakteristisch ist? Zum Tasten schön ist diese entscheidende Grenze zum Raum, die Haut des Körpers. Es sind kurze, parallel geführte Linien, Furchen, deren Rhythmus den unregelmäßig genarbten Tuffstein mit einer gleichmäßigen Struktur überzieht, die eine lebendige Ordnung schafft. Der eiserne „Kamm“ dessen parallel angeordnete Zinken, diese Struktur bewirken, heißt – das kann kein Zufall sein – bei den Bildhauern „Wolf“. Der Wolf spitzt die sandfarbene Oberfläche an, er glättet nicht deren natürliche Erscheinung und bewirkt eine phantastische Lichtbrechung, die der von Malerei – sofern die festen Borsten des Pinsels die Farbe „ordnen“ – vergleichbar ist.
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Stellen

Das Erarbeiten der notwendigen Form ist nicht das letzte Ziel sondern eine Voraussetzung dieser Skulpturen. Denn nach dem Hauen und dem Tasten kommt das Aufstellen des Steins. Der Körper muss sich im Raum bewähren. Dies zeigt sich besonders deutlich dann, wenn der entdeckte Stein weitgehend unbearbeitet als Skulptur Verwendung findet. Um den Stein aber aufstellen zu können, muss eine Standfläche definiert sein. Spätestens hier verwandelt Josef Wolf die Schwere des Materials in die Leichtigkeit seiner Erscheinung. Er spannt die Flächen der „gefüllten“ Volumen, er hebt sie vom tragenden Boden ab, er balanciert   die Gewichte aus und reduziert das Stehen und Lasten auf unglaublich geringe Querschnitte. Gerade die Masse des Materials ermöglicht den Eindruck von Schwerelosigkeit in Aufstellungen, die physikalische Grenzen zu negieren scheinen. Besteht Kunst prinzipiell auch aus dem Widerspruch des Faktischen mit der Wahrnehmung des Möglichen?
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Fügen

Darin liegt wohl der Kern seiner künstlerischen Arbeit: Josef Wolf bringt die erarbeiteten Volumen zueinander. Er fügt sie zu Paaren oder zu Gruppen, die miteinander – nebeneinander, übereinander, ineinander – im Kontakt stehen. Dabei erfahren wir alles, was die Skulptur seit jeher ausmacht aufs Neue: stehen, kippen, stürzen, tragen, lasten, ruhen, sich zuneigen, aufeinander aufbauen, stützen und abstützen, sich verbinden. Über die Jahre hat sich der tatsächliche Kontakt der einzelnen Steine verringert, sind die Teile der Ensembles immer gleichwertiger geworden; z.B. auf die Weise, dass keines nur Standfläche für ein anderes sei. Häufig ist die Berührung nur noch im Nebeneinander der Körper realisiert. Im Falle des Gelingens erreicht Josef Wolf damit eine Spannung der Volumen untereinander, zum umgebenden Raum, bzw. zum Körper des Betrachters. Die Skulptur schafft dann einen Ort und vermittelt uns das, wovon sie ausgelöst wird und was ihr Entstehen permanent begleitet hat; sie ermöglicht uns eine prinzipielle Erkenntnis: Die Abhängigkeit von Sehen und Bewegung.

Schichten

Dem Fügen verwandt ist das Schichten. In fast allen Kulturen wurden und werden Mauern geschichtet und so ganze Häuser errichtet. Überdies hat es jeder von uns vermutlich schon als archaisches Bedürfnis in Situationen der Langeweile erlebt: Das Schichten von Steinen. In einer eigenen Werkreihe schichtet Josef Wolf Schieferplättchen zu kleinen Körpern sorgfältig aufeinander, die – im Unterschied zu seinen großen Skulpturen – meist auf Quadrat und Rechteck aufbauende, abstrakte Kantenmaße besitzen. Die losen Schichtungen bleiben fragil, ihre exakte Form ist gefährdet, wenn Unachtsamkeit oder Gewalt sie umgibt. Der Tuffstein bildet für sie Sockel und Nischen, auf die und in die hinein das leichte, bewegliche und zerbrechliche Material geschichtet wird. Ein endloses Tun ist das, eine gleichförmige Beschäftigung im Laufe der Zeit, ein schichtweiser Aufbau, der den Verfall kennt, wie jedes Bemühen von Zivilisation wohl endlos ist…
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© Text und Fotografie Dr. Stefan Kraus, entnommen aus "Josef Wolf Bildhauer"